Nacht und Nebel:
Muss das sein?
Von der Kunst, legal Streetart zu machen
Die Hauswand sah gestern noch anders aus, oder? Heute ein großflächiges Graffiti: provokant und politisch, die Neonfarbe knallt auf dem grauen Beton. „Scheiß-Schmiererei“ wird kommentiert „Und was die Reinigung wieder kostet!“. Aber die Leute bleiben stehen und schauen. Ob sie es gutheißen oder nicht, die schrille Botschaft erregt Aufmerksamkeit und wird wahrgenommen. Das ist die Kraft, die Streetart hat: Menschen für einen kurzen Moment aus ihrem Tunnelblick lösen. Etwas Ungewöhnliches zwischen all dem Alltäglichen. Genau diesen Überraschungsmoment kannst du als Künstler*in ausnutzen, um Gedanken anzuregen und Spuren in den Köpfen zu hinterlassen. Als junger Mensch mit Wunsch nach Veränderung kann dies ein machtvoller Weg sein, dir Aufmerksamkeit zu verschaffen. Doch viele Kunstformen der Streetart sind illegal und mit rechtlichen Konsequenzen verbunden.
Stichwort: Vandalismus - „blinde Zerstörung und Beschädigung“. Graffitis müssen mit aufwendigen Mitteln wieder entfernt, Sticker abgekratzt oder chemisch gelöst werden. Kunst und Vandalismus - das ist ein äußerst schmaler Grad. Was den einen inspiriert und zum Nachdenken anregt, ist für den anderen eine weitere Fläche, die kostenaufwendig wieder gereinigt werden muss. Streetartists balancieren dabei in rechtlichen Grauzonen und riskieren saftige Geldstrafen.
Also: Entweder du lässt dich bei deinen Nacht-und-Nebel-Aktionen nicht erwischen, oder noch besser: du machst legale Streetart! Aber ganz ehrlich, ist es überhaupt möglich, mit legaler Streetart so viel Aufmerksamkeit zu erregen, wie mit illegaler? Und wenn ja, wie? Finde es in diesem Beitrag heraus.
Graffiti und Murals
Nacht und Nebel: der Klassiker
Was sind die ersten Bilder, die dir durch den Kopf schießen, wenn du an Streetart denkst? Höchstwahrscheinlich ein Graffiti oder ein großflächiges Wandbild (Mural). Um diese Kunstformen zu ermöglichen, stellen Städte oftmals Flächen zur Verfügung, die nach Belieben besprüht, bemalt oder beklebt werden dürfen - ganz legal. Meist sind diese an etwas abgelegenen Orten oder in leerstehenden Gebäuden.
Schade nur, dass nicht viele auf ihrem Sonntagsspaziergang durch alte Industriehallen schlendern. Den konservativen Opa von nebenan, oder die hoch beschäftigte Geschäftsfrau in ihrem SUV kann man so nicht erreichen. Genau die Art von Menschen, die nicht sowieso schon die eigene Meinung vertreten. Perfekt wäre eine Fläche, die täglich viele unterschiedliche Menschen sehen - auf dem Weg zur Arbeit, beim Joggen oder vom Fahrrad aus. Triste, fensterlose Hauswände betteln geradezu darum, verschönert zu werden. Da du selbst wahrscheinlich keine Fläche dieser Art besitzt, musst du wohl oder übel auf Besitzer von geeigneten Flächen zugehen. Fragen kostet ja bekanntlich nichts. Um deine Erfolgschancen zu erhöhen, untermale deinen Plan am besten noch mit einem Portfolio, Arbeitsproben und ganz viel Euphorie!
Sticker-Art
Jetzt klebt ́s aber!
Eine recht populäre Form der Streetart ist Sticker-Art. Dabei wird Kunst, Text - wirklich alles was man loswerden will - auf die Sticker gedruckt und in der Stadt “verstickert”. Oft werden die eigenen Sticker im großen Stil an Leute verteilt, die es an Leute verteilen, die es an Leute verteilen. Dann wird alles beklebt: Türen, Laternen, Ampeln, Hauswände, Tische, Stühle - am liebsten dort, wo viele Leute es sehen können! Es ist eine sehr pragmatische, einfach umzusetzende Art, seine Meinung auszudrücken. Du kannst die Sticker durch ein paar Klicks bestellen und schwupps!... Zwei Tage später hältst du sie in der Hand und eine Stunde später könnten sie an der nächsten Litfaßsäule kleben. Optimal, um kleine Botschaften in die Welt zu schicken! Die bunten Aufkleber sind allerdings nicht immer legal: Da manche nicht ganz problemlos zu entfernen sind, hat man dabei schnell eine Anzeige am Hals. Klar - auf das Auto vom Nachbarn darfst du nicht stickern. Aber auch bei Eigentum des Staats - wie Ampeln, Laternen, Schilder - solltest du vorsichtig sein. Wenn nachvollziehbar ist, dass der Sticker von dir stammt, kannst du dich damit strafbar machen. Man mag es kaum glauben, aber die Polizei macht sich durchaus die Mühe, Sticker nachzuverfolgen. Das gilt auch, wenn Freunde deine Sticker “in deinem Namen” aufkleben.
Wenn der Sticker allerdings leicht wieder abzuziehen ist, ist es rechtlich gesehen kein Vandalismus. Um mit Stickern Aufmerksamkeit zu erregen, reicht es oft schon, deine eigenen Sachen damit zu versehen - egal ob Laptop, Fahrrad oder Trinkflasche. Gespräche oder Diskussionen lassen sich übrigens gut durch auffällige Sticker initiieren. Gerade, wenn du stolz auf deine Sticker-Kunst bist, kann es schön sein, direkt damit in Verbindung gebracht zu werden.
Kreide-Art
Hierfür wird niemand angekreidet
Kreide - bekannt für ihren Einsatz in Lehrer- und Kinderhänden, hat viel Potenzial, wenn es um legale Streetart geht.
- Sie ist bunt und einfach aufzutragen.
- Sie ist handlich und leicht.
- Sie lässt sich mit Wasser problemlos wieder abwaschen.
Besonders Punkt drei ist relevant, wenn du nicht in Schwierigkeiten geraten willst. Die Wasserlöslichkeit hat jedoch einen Nachteil: Kaum wird dein Kunstwerk nass, verwandelt es sich in eine farbenfrohe Pfütze, die wenig Aussagekraft hat. Die offensichtliche Endlichkeit macht diese Kunstform weniger radikal und erhöht die Wertschätzung der Kunstwerke. Zudem ist es ein schönes Medium, um sich auszuprobieren und sich an Streetart heranzutasten. Du solltest im Hinterkopf behalten, dass auch hier die Legalität Grenzen hat, wenn du beispielsweise zusätzliche Parkplätze oder Straßenmarkierungen aufmalst.
Im Hellen sprayt es sich sowieso besser
Die größte Schwierigkeit, wenn es darum geht, auffällig und legal Streetart zu machen, liegt darin, eine geeignete Fläche dafür zu finden: Genehmigt und prominent. Es bedeutet etwas mehr Aufwand, legal Streetart zu machen - vor allem bei größeren Graffitis. Du hast dann aber die Garantie, dass dein Kunstwerk langfristig bleiben darf und nicht ungefragt wieder entfernt wird. Wie in diesem Beitrag vorgestellt, gibt es durchaus spannende und einfach umzusetzende legale Streetart-Formen, die genauso gut wirken wie illegale. Praktisch, dass man dafür nicht vermummt, im Dunkeln durch die Weltgeschichte huschen muss! Legale Streetart wartet also nur darauf, von dir ausprobiert zu werden!