Künstlerische Kritik an der Politik
Niemand hat die Absicht eine Mauer zu politisieren
„Man labert nicht lange, sondern wird von Anfang an aktiv, greift dort an, wo das Leben spielt und konfrontiert die Menschen direkt.“
So beschreibt Streetart der Streetartist Dusty. Streetart besitzt ein unglaubliches Potenzial. Ohne mit seinem Gesicht dazustehen, kann man sich äußern, kritisch gegenüber der Politik und/oder der Gesellschaft. Streetart findet direkt auf der Straße statt und nicht in Museen. Dadurch ist Streetart für die komplette Gesellschaft ohne payWall zugänglich. Aber was ist wirklich möglich und was lässt sich damit politisch ausrichten?
Ihn kennt jeder
Bei den Begriffen Streetart und Politik denken die meisten vermutlich erstmal an Banksy. Wer sich etwas mit Streetart befasst, stolpert früher oder später über seinen Namen, oder eher seinen Künstlernamen. Nach wie vor ist nicht offiziell bekannt, wer sich hinter den unzähligen, mit feinen Schablonen und Spraydosen gesprühten Streetartwerken verbirgt. Doch neben Banksy gibt es viele weitere Künstler*innen, die durch Farbe versuchen, ihre politischen Messages zu verbreiten. Ein paar davon zeige ich dir weiter unten im Text.
Verschiedene Ebenen der Politisierung
Streetart ist vielseitig und es steckt viel mehr dahinter als das, was die meisten Leute sehen. Sie kann auf mehreren Ebenen politisch werden.
Ebene 1 – die Raumaneignung. Man hält sich nicht an die Regeln und setzt „Frei Schnauze“
seine Kunst um. Auch ist es Widerstand gegen die zunehmend durch Werbung
kommerzialisierten Flächen in den Städten.
Ebene 2 - die inhaltliche Aussage der Darstellung. Systemkritische, direkte
„Auf die Fresse“ – Messages und Parolen. Oder geht das nicht etwas weniger beleidigend
und dafür mit mehr Tiefgang?
Und dann Ebene 3 - die Errichtung anonymer Kommunikationskanäle in Städten, über
welche Austausch zu Politik, aber auch zu anderen Themen, stattfinden kann.
Genauer wird nun die 2. Ebene unter die Lupe genommen – Die politischen Inhalte. Große Teile der Bevölkerung fassen Streetart negativ auf. Sie verbinden damit hässliche Graffitis mit Beleidigungen und Verunstaltungen der städtischen Fassaden. Keine Frage, diese Schmierereien sind dir sicher auch geläufig. Doch (politische) Streetartwerke grenzen sich von solchen Wandverunstaltungen ab. Sie lassen sich nicht so einfach mit „primitiven“ politischen Parolen oder Forderungen vergleichen. Sie sind weniger banal, mit der Tendenz dein Gehirn etwas mehr zu fordern. Streetart lässt Spielraum für vielfältige Interpretation und ist dadurch verschieden deutbar. Aber natürlich gibt es hier keine klaren Vorgaben und Regeln. Streetart soll von allen Künstler*innen so gestaltet und umgesetzt werden, wie Ihr künstlerischer Trieb verlangt – auch wenn manch eine*r das anders sieht. Dazu aber später mehr.
Der Trigger
Zum Umsetzten von politisch (kritisierender) Streetart braucht es einen Auslöser. Dieser besteht meist aus mehreren Faktoren: Frustration, Kritik, Unzufriedenheit oder andere Meinungen gegenüber der Politik gehören dazu. Als Streetartkünstler*in möchte man diese Punkte nicht einfach so unausgesprochen hinnehmen. So kann Streetart als Kanal genutzt werden, um seine Meinung und Sichtweise mit der Welt zu teilen.
Vladimir Voldemort
Ein Beispiel: Der deutsche Künstler Korn Fanto. Er arbeitet häufig mit großen Stickern, die er schnell an Wänden anbringen kann. Er verwendet Assoziationen verschiedener Personen und schafft so die Verbindung mehrerer Eigenschaften zu einem Werk. Besonders hier ist eine enorme Präzision bei der Erstellung notwendig. Sonst ist die Personen nicht genau zu erkennen und die Verbindung funktioniert nicht. Seine Messages sind meist sehr kritisch, doch haben einen Tiefgang, den beleidigende Parolen nicht zu bieten haben.
Der Einfluss
Die Künstler*innen können kinderleicht, sofern Sie etwas künstlerische Begabung haben, Ihre persönliche Meinung zu aktuell politischen Ereignissen zum Ausdruck bringen und verbreiten. Provozieren, kritisieren, widersprechen und sonst alles, wohin der innere Antrieb führt. Ob dies einen entscheidenden Einfluss auf die Politik hat, ist natürlich schwierig zu messen. Meiner Meinung nach, ist schon allein der Versuch seine Kritik und Sichtweise an andere, zum Beispiel dich weiterzugeben, einen zielführenden Ansatz. Es gibt Fälle, in denen schon durch unter anderem Streetart auf Missstände aufmerksam und angekämpft wurde, beispielsweise bei der „Black lives matter“-Bewegung.
Mittel zu Reichtum und Ansehen?
Kritisch gegenüber der Entwicklung der Streetart ist der Streetartist Bronco. Er ist der Meinung, dass sich die Künstler*innen immer mehr in den Vordergrund stellen und die gesellschafts- und politisch kritischen Motive immer mehr den Rücken zuwenden: „Ich kann diese ganzen bunten Männchen nicht mehr sehen. Für mich ist das keine Streetart [...], die ästhetischen Muster von Streetart werden von der Gesellschaft mittlerweile gemocht, gefordert und was das Schlimmste ist: bezahlt.“ Er bemängelt, dass bei vielen Künstler*innen die Rebellion im Ursprung fehlt und sie Streetart „missbrauchen“, um sich zu bereichern und berühmt zu werden. Doch Bronco: Ich finde, dass eine freie Kunstform nicht missbraucht werden kann. Manche Künstler*innen interpretieren einfach den vielseitigen Begriff Streetart anders oder haben keine Lust auf illegale Nacht-und-Nebel-Aktionen.
Legal und trotzdem kritisch
Einen anderen Weg zum Ziel verfolgt der Münchner Sebastian Pohl vom Münchner Kunstverein Positive-Propaganda e. V.. Er bietet Streetartkünstler*innen die Möglichkeit, legal an bestimmten, gut einsehbaren und öffentlichen Wänden ihrem Trieb freien Lauf zu lassen. Dabei überlässt er die Wahl der Motive einzig und allein den Künstler*innen, das sei für ihn selbstverständlich, so sagt es Pohl.
So entstehen in regelmäßigen Abständen immer wieder neue Kunstwerke. Also vielleicht ein Mittelweg zwischen der Legalität und der Möglichkeit, politische Kritik auszuüben? Ich finde ja. Über legale Formen der Streetart findest du hier auf dem Blog auch ein Artikel, einfach mal hier klicken.
Nutze dein Hirngrips
Auch die Interpretation der Motive gehört zur Streetart. Bei manchen Künstler*innen ist dieser Interpretationsgrad sehr hoch und lässt den Betrachter*innen eine sehr große gedankliche Spielwiese. Es können verschiedene kritisierende Inhalte gesehen werden. So kann ein Werk auf gleich mehrere verschiedene Missstände und Problematiken aufmerksam machen. Vielleicht sieht man beim nächsten Mal betrachten wieder ein neues Detail und kommt so auf eine weitere Deutung.
Ende vom Lied
Menschen weltweit nutzen Streetart, um gegen die Politik ihrer oder anderer Regierungen zu protestieren. Dieser Punkt verbindet die Kunstwerke weltweit. Es handelt sich um Kritik und keine Lobeshymnen. Streetart sollte jede*r so ausleben und umsetzten können, wie er*sie es nach seinem*ihrem Empfinden für die richtige Form hält.
Mit Streetart wird jede*r konfrontiert, egal ob er*sie es möchte oder nicht. Manchen gefällt es und anderen wiederum nicht. Jetzt aber genug gefaselt, habt Mut euch auszuprobieren!